Alter schützt vor Torheit nicht!
Viele von Euch, die mich persönlich kennen, kennen auch meinen mittlerweile 29 Jahre alten Wallach Chicco. Andere kennen ihn und seine Geschichte aus meiner Serie (es war mein allererster Blog).
Er begleitet mich jetzt schon 25 Jahre meines Lebens und wir haben viele Höhen und Tiefen zusammen erlebt. Er war der Wegweiser meiner jetzigen Arbeit und ich weiß, dass ich davor vieles falsch gemacht habe – natürlich nicht aus Absicht, denn so wie heute noch, ist und war er mein Schatz. Fehler passierten, da ich es einfach nicht besser wusste.
Mit meinen ganzen Ausbildungen, den Studien der Muskulatur, der funktionellen Anatomie und der Biomechanik wurde so vieles klar, was damals schiefgelaufen war. So krempelte ich mein Denken komplett um und begann vieles anders zu machen
Chicco hatte ich damals schon in Pension in einen Offenstall geschickt. Doch als ich sah, dass ihm diese Art der Haltung nicht mehr guttat, holte ich ihn zum Horse Resort am Sonnenhof, wo auch meine Stute stand.
Ich kann mich noch genau erinnern. Er sah aus wie ein Häufchen Elend. Er hatte Kotwasser, einen Blähbauch und sah fürchterlich alt aus. Das Glänzen und der Schelm in seinen Augen waren verschwunden. Ich war damals so froh, ihn wieder bei mir zu haben und mich einfach auch mehr um ihn kümmern zu können.
Ich fing an, gezielte Trainingseinheiten für ihn zu gestalten. Anfangs stand ganz viel Schrittarbeit auf der Tagesordnung. Ich erinnere mich noch genau, am liebsten ging er mit mir an der Hand in den Wald spazieren. Da suchte ich Wege mit vielen Baumwurzeln aus. Denn so musste er auf seine Beine mehr Acht geben und sie auch mehr koordinieren. Aufgrund seiner Verdauungsprobleme, die sich in Kotwasser zeigten, war seine Bauchmuskulatur nicht die beste – und mit den Hinterbeinen über eine Stange zu steigen, erforderte schon einige Anstrengung für ihn.
An einem Tag hatte ich Schaumstoffstangen in der Halle aufgelegt und ich bat ihn, darüber zu steigen – nur im Schritt – doch er stieg genau auf sie drauf, und die Schaumstoffstange vollführte die Bewegung eines Klappmessers. Ich muss schmunzeln, wenn ich daran denke, denn sie traf genau Chiccos Hinterhand – worauf er mich verdutzt ansah.
Natürlich beschäftigte ich mich auch mit seinem Kotwasserproblem (siehe Blog vom Mai 2021). Und ich freute mich so sehr, dass er sich in eine gute Richtung weiterentwickelte. Oft ließ er auch noch richtig „die Sau“ raus und führte sich auf, als ob er nicht wusste, wie alt er bereits war.
Das wurde ihm auch im Herbst letzten Jahres ein bisschen zum Verhängnis – denn auch, wenn ein älteres Pferd muskulär gut dasteht, steckt es nicht immer alles gut weg.
Seine Knieproblematik war schon seit seinem achten Lebensjahr bekannt. Und letztes Jahr zeigte er eine Schonhaltung, die ich nicht gleich richtig zuordnen konnte. So kontaktierte ich den Tierarzt, der meine Pferde seit eh und je betreut. Chicco bekam anfangs Schmerzmittel, doch es änderte sich nichts am Bewegungsmuster, und wir suchten weiter. Bis letztendlich ein Kreuzbandriss diagnostiziert wurde – na und dazu passte auch das Gangmuster, dass sich mit der Zeit auch verschlechtert hatte. Wenn er sein Hinterbein strecken sollte, macht er eine Rotation als Ausgleichsbewegung. Diese Bewegung sieht echt schräg aus und ich zucke immer zusammen, doch so, wie es scheint, hat er keine Schmerzen und ist auch mit dieser kompensatorischen Bewegung richtig flott.
Wenn ich in den Stall komme, wiehert er mir schon von der Koppel aus zu. Denn er weiß, dass er dann geholt wird und noch eine Ration Futter mit seinen Kräutern bekommt. Zusätzlich bekommt er auch von der Firma PerNaturam Resin forte – eine orientalische Kostbarkeit aus Weihrauch und Myrrhe. Beides gibt man bei Gelenkproblemen und zur Stoffwechselunterstützung, es pflegt die Darmschleimhäute und fördert die gesunde Darmflora.
Die Inhaltsstoffe von Weihrauch und Myrrhe wirken entzündungshemmend, schmerzlindernd, abschwellend und antibiotisch. Und genau das ist für mich eine Alternative zu einem Schmerzmittel, dass vom Tierarzt verordnet wird. Medizinische Entzündungshemmer wollte ich nicht auf Dauer verabreichen. Aber mir ist auch klar: Wenn er sie wirklich braucht, bekommt er sie auch.
Zudem wird sein Knie mit kinesiologischem Taping stabilisiert und seine Muskulatur mit Tapes unterstützt. Kurz: Ich unterstützte ihn mit meinem Wissen, wo nur geht. Auch setze ich ihm immer wieder Akupunkturnadeln, die seinen Organismus und die Heilung unterstützen. Im Vergleich zu vor Weihnachten sieht man eine Besserung. Jedoch darf man auch nicht vergessen – er ist 29!
So darf er mit seinem lustig-schrägen Gang sein Leben auf der Koppel genießen und ist ab jetzt offiziell in Pension. Auch bei meinen Equino FIT® Kursen, wo er immer noch als Pferd für Schüler oder auch für Palpationen und Ganganalysen fungierte, darf er jetzt von der Koppel aus zusehen.
Doch eines sag ich Euch: Wenn er so mit seinem Schelm im Gesicht plötzlich auf der Koppel dahin trabt oder ich auch erzählt bekomme, er sei auch ganz flott mitgaloppiert, halte ich kurz die Luft an und denke mir „Alter schützt vor Torheit nicht!!“ Dann kann es sein, dass er es doch ruhiger angehen muss (ein bisschen länger in seiner Box und seinem Paddock als die anderen), denn er ist halt doch keine 10 mehr …
Drückt mir die Daumen, dass er noch einige Zeit seinen Schelm ausleben und mit in den neuen Hof übersiedeln kann!